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Denkmodi

In der Abhandlung „The Master and His Emissary“ vergleicht Iain McGilchrist die Beziehung zwischen den beiden Hirnhälften mit der zwischen einem Herrn und seinem Gesandten. Danach gibt die rechte Hemisphäre als Herr die Richtung vor, die sprachbegabte linke dagegen fasst das jeweilige Tun in Worte. Die rechte Gehirnhälfte sieht eher das große Ganze, die linke liefert Begründungen dafür und fokussiert die Details. Denn Sinn dieser Arbeitsteilung zeigt McGilchrist am Beispiel eines Vogels auf, der ein Nest baut. Einerseits muss er sich darauf konzentrieren, akkurat Zweige zusammenzuknüpfen. Andererseits muss er offen bleiben für Unerwartetes – etwa einen plötzlich auftauchenden Feind (Die Zeit Nr. 25, vom 13.06.2013).

Wie des Weiteren Helmut Fuchs und Andreas Huber in ihrem Buch „Metaphoring“ ausführlich belegen, können theoretische Begriffe wie „Identität“ oder „Rationalität“ sowie komplexe Sachverhalte wie z.B. „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ nur mit Hilfe von Metaphern in ihrer Bedeutung voll erfasst werden.

Reflexionskunst ist deshalb in einem ersten Schritt die Verdeutlichung fundierter Prinzipien oder irriger Paradigmen durch sprachliche Konkretisierung (Redensarten, Zitate, Synonyme), durch bildhafte Darstellung (Fotos, Videos, Symbole), durch abstrakte Visuale (Grafiken & Diagramme), durch narrative Umschreibungen (Anektoten, Geschichten, Metaphern), durch inhaltliche Entsprechungen (Beispiele, Vergleiche, Analogien) oder durch kulturelle Bezüge (Literatur, Film, Kunst).

Durch einen kreativen Inkubationsprozess entsteht in einem zweiten Schritt aus der Kombination von kognitivem Wissen und dazugehöriger Bildsprache ein visuelles Produkt. Das Ergebnis ist eine geistig-kulturelle Win-Win-Situation: Die verbale Aussage gewinnt durch Metaphorik und Bildkunst. Künstlerische Intuition und Ästhetik profitieren von einer soliden Argumentationsbasis.